30.05.2017 Anfrage zur Anerkennung von Asylbewerberverfahren und den Bundesmitteln für die Versorgung von Flüchtlingen

In der ARD-Sendung „FAKT“ vom Dienstagabend, 23. Mai 2017, mit dem Titel „Ostdeutschland kassiert für Phantomflüchtlinge“ hieß es, dass zwischen den Bundesländern in Deutschland keine ‚bedarfsgerechte Verteilung‘ der Bundesmittel für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge bestehe (siehe Mediathek der ARD http://www.ardmediathek.de/tv/FAKT/Ostdeutschland-kassiert-für-Phantomflüchtlinge/ oder Zusammenfassung des Inhaltes in der Anlage).

Unter anderem wurde dargestellt, dass

  1. Umzüge von Flüchtlingen in andere Bundesländer bei der Verteilung der Mittel zur Unterbringung und Versorgung der Menschen nicht berücksichtigt werden,
  2. das Saarland mit fast 70% die mit Abstand höchste Anerkennungsquote von Asylbewerberverfahren aller Bundesländer in Deutschland hat (z. B. Sachsen 26,9%, Thüringen 31,1%, Hessen 43,1%, Rheinland-Pfalz 31,7%) und
  3. demzufolge dem Saarland im Verhältnis z. B. zu Sachsen deutlich weniger Gelder zur Unterbringung und Versorgung der Menschen in Summe pro Kopf Verfügung stehen (2016: Sachsen 147 Mio. Euro für 19.600 anerkannte Flüchtlinge, Saarland 35 Mio. Euro für 17.300 anerkannte Flüchtlinge).

Da der Regionalverband Saarbrücken der Landkreis ist, in dem die meisten Asylanträge im Saarland zu bescheiden sind, bitten wir die Verwaltung um Darstellung der Unterschiede in den Maßstäben, die zu dieser bundesweit höchsten Anerkennungsquote von fast 70% führen.

Wir bitten außerdem um Vorschläge, wie diese hohe Anerkennungsquote an einen durchschnittlichen Wert aller Bundesländer angenähert werden könnte, um eine Sogwirkung zu vermeiden; denn wie unstreitig festgestellt wurde, hat der Regionalverband bereits in überaus hohem Maße unterstützungsbedürftige Lebensverhältnisse von Menschen zu versorgen. Eine Absenkung im Sinne einer Anpassung der Anerkennungsquote an die übrigen Bundesländer ist mit Blick auf die prekäre Finanzsituation in den regionalverbandsangehörigen Städten und Gemeinden dringend geraten – eine Sogwirkung, die die Umlagebelastung weiter ansteigen lässt, dringend zu vermeiden.

Anlage: Inhaltliche Zusammenfassung des Beitrages „Ostdeutschland kassiert für Phantomflüchtlinge“, Sendung FAKT vom 23.05.2017:

  • Viele Flüchtlinge, die zunächst auf ostdeutsche Bundesländer verteilt wurden, sind im Laufe der Zeit in westdeutsche Bundesländer, in diesem Beispiel nach Gelsenkirchen, umgezogen. Genannte Gründe (Wortbeiträge v. Flüchtlingen): Viele wollten so schnell wie möglich weg, fühlten sich z. B. in Sachsen, Thüringen nicht wohl, nicht willkommen. Freunde oder Familienangehörige waren bereits in westdeutschen Bundesländern.
  • Im Jahr 2016 sind insgesamt mehr als 1.000 Flüchtlinge aus dem Osten nach Gelsenkirchen gezogen – die Bundesmittel zur Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge flossen aber weiterhin in den Osten, quasi für „Phantomflüchtlinge“, die es dort gar nicht mehr gab, die jetzt in Gelsenkirchen versorgt werden müssen. Das belastet stark den Haushalt der Stadt.
  • Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) ärgert sich darüber, dass keine Überprüfung über die Verwendung der Gelder erfolgt und schreibt Rechnungen an Ministerpräsidenten ostdeutscher Bundesländer. Er fordert die Zahlungen zurück, wenigstens die Mietzahlungen.
  • 2016 hat der Bund insgesamt 2,9 Mrd. Euro für Flüchtlinge an die Bundesländer nach Abschluss ihres Asylverfahrens gezahlt. Die Flüchtlinge werden nach dem Königssteiner Schlüssel verteilt (Einwohnerzahl + Steueraufkommen).
  • Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestätigte gegenüber der Redaktion: „Die Mittel wurden unabhängig von den angefallenen Kosten ausgezahlt und eine Überprüfung der verausgabten Mittel wird es für das Jahr 2016 nicht geben.“
  • IFO-Wirtschaftsinstitut, Joachim Ragnitz sagt: Die Verteilung nach Anerkennungsquoten sei denkbar ungeeignet, nicht nur wegen der Umzüge von Flüchtlingen, sondern auch weil die Anerkennungsquoten in den Bundesländern überaus unterschiedlich sind: Sachsen 26,9%, Thüringen 31,1%, Hessen 34,1%, Rheinland-Pfalz 31,7%, Saarland 69,9%, die mit Abstand höchste Anerkennungsquote aller Bundesländer in Deutschland.
  • Fazit: „Bundesländer mit verhältnismäßig vielen Flüchtlingen haben absurder Weise weniger Geld für deren Integration als solche, mit besonders wenigen Flüchtlingen.“
  • Demnach: Sachsen bekam 2016 nach Fakt-Recherchen für 19.600 anerkannte Flüchtlinge 147 Mio. Euro Bundesmittel. Das Saarland für 17.300 Flüchtlinge nur 35 Mio. Euro Bundesmittel. Fazit: Die Gelder müssen dorthin, wo sie für die Menschen benötigt werden, so ist das keine bedarfsgerechte Verteilung der Gelder.
  • Eine „bedarfsgerechte Verteilung“ könnte (nach Ausrechnung von „Fakt“) wie folgt aussehen: Teilt man die Bundesmittel durch die Anzahl der in Deutschland 2016 lebenden anerkannten Flüchtlinge, ergibt sich ein Betrag in Höhe von 4,800,- Euro pro Person. Nach dem derzeitigen Schlüssel weichen die Mittel davon stark ab. Nach Fakt-Recherchen hatte der Spitzenreiter Sachsen 2016 mit 7.480,48 Euro pro Flüchtling fast 4 x so viel Geld wie das Schlusslicht Saarland mit 2.033,83 Euro. (Thüringen 6.244,21 Euro, Hessen 4.492,13 Euro, Rheinland-Pfalz 4.973,76 Euro – jeweils pro Flüchtling).
  • Ob die Bundesmittel tatsächlich für die Flüchtlinge eingesetzt werden, ist dabei unklar. Das sächsische Finanzministerium antwortet auf Anfrage, „Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die Bundesmittel nicht zweckgerichtet für „anerkannte Flüchtlinge“, also „Asylberechtigte“ geleistet werden. (…) Auf eine ungerechte Verteilung der Bundesmittel kann man insofern deshalb nicht schließen.“ Der Bund kann den Ländern also nicht vorschreiben, die Flüchtlingsmittel auch wirklich für Flüchtlinge zu verwenden; es könnten damit auch Haushaltslöcher gestopft werden. Nach dieser Lesart wäre tatsächlich egal, wo wie viele Menschen untergebracht und integriert werden müssen.
  • Die Bundesmittel werden in diesem Jahr auf 3,4 Mrd. Euro erhöht.